Neue Staatsministerin ist medienpolitisch unbeschriebenes Blatt

Von Steffen Grimberg (KNA)
MEDIENPOLITIK - Eine Grüne im Amt der Staatsministerin für Kultur und Medien: Claudia Roth hat im Theater gearbeitet und war Bandmanagerin - aber die Medienbühne betrat sie bisher kaum. Dennoch hat sie in einigen Bereichen klare Vorstellungen, auch wenn der Ampel-Koalitionsvertrag medienpolitische Lücken aufweist.

Berlin (KNA) Medienpolitik ist in Deutschland Ländersache. Dennoch spielt der Bund bei der Koordination der Medienpolitik seit Jahren eine immer wichtigere Rolle. Denn gerade die neuen Medien und der Bereich Social Media erfordern oft ein Handeln mindestens auf nationaler, wenn nicht sogar auf internationaler beziehungsweise europäischer Ebene. Das Amt der Staatsministerin für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt, 1999 von der ersten rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) eingeführt, wird unter der jetzt angetretenen Ampelkoalition daher noch einmal deutlich wichtiger.

Mit der Grünen Claudia Roth übernimmt nun eine Vollblutpolitikerin den Job, der sich seit den eher staatsphilosophisch geprägten Anfängen unter dem späteren "Zeit"-Chefredakteur Michael Naumann und dem Philosophie-Professor Julian Nida-Rümelin stark gewandelt hat. Unter Roths unmittelbarer Vorgängerin Monika Grütters (CDU) kam das Amt endgültig in der Realpolitik an. Grütters erwarb sich mit ihrem integrierenden, parteiübergreifenden Ansatz vor allem in der Kultur- und Filmförderung nachhaltige Meriten, an die Roth nun nahtlos anschließen kann. Der Applaus aus der Kulturszene für die Personalie Roth sagt viel über die Erwartungshaltung an die gelernte Kulturmanagerin, die unter anderem am Theater gearbeitet hat und lange Managerin der Rockband Ton Steine Scherben um Rio Reiser war.

Grütters' überparteilichen Kurs will Roth nun fortsetzen. "Ich bin parteiisch für die Kultur", sagte sie am 8. Dezember 2021 im Interview mit dem Deutschlandfunk. Medienpolitisch ist die 66-Jährige dagegen ein eher unbeschriebenes Blatt. Lange war in Branchenkreisen spekuliert worden, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Vertrauten aus Hamburger Tagen Carsten Brosda (SPD) mit dem Amt betrauen würde. Brosda, aktuell Kultursenator an der Elbe, ist promovierter Journalist und einer der führenden medienpolitischen Köpfe bei den Sozialdemokraten.

Applaus aus Kultur - Schweigen bei Medien

Doch dann reklamierten die Grünen im Rahmen der Ressortverteilung den Posten für sich. "Ich war absolut überrascht, ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, als es vor ein paar Tagen hieß, die Grünen werden Kultur bekommen", sagte Roth im Deutschlandfunk. Während Verbände und Institutionen aus dem Kulturbereich durchgehend positiv und teilweise beinahe überschwänglich auf ihre Ernennung reagierten, verhält sich die Medienbranche abwartend. "Die ARD begleitet den laufenden medienpolitischen Prozess konstruktiv, das gilt auch künftig", teilt der öffentlich-rechtliche Anstaltsverbund auf Anfrage des KNA Mediendienstes so knapp wie inhaltsleer mit. Und der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), wichtigster Lobbyverband auf der Presse-Seite, hat zur Personalie Roth noch gar keine zitierfähige Meinung.

Dabei hat die Ampel aus SPD, Grünen und FDP eine Hauptforderung der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage in ihr Regierungsprogramm aufgenommen. "Wir wollen die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen gewährleisten und prüfen, welche Fördermöglichkeiten dazu geeignet sind", heißt im Kapitel "Medienpolitik" des Koalitionsvertrages. Zur Frage der Umsetzung fehlen allerdings weitere Hinweise oder Absichtserklärungen. Doch das Thema - und die Summe von 220 Millionen Euro, die die alte Bundesregierung eigentlich schon ab 2020 verteilen wollte - stehen weiter im Raum. Dabei ist auch unklar, welches Ministerium hier die Federführung übernimmt. Als 2020 eine reine Zustell-Förderung geprüft wurde, lag die Verantwortung beim Arbeitsministerium. Mit der Umwidmung zur "Förderung der digitalen Transformation des Verlagswesens" hatte dann das Wirtschaftsministerium die Sache übernommen.

Das Vorhaben scheiterte am Ende inhaltlich am Streit um klare Förderkriterien - und rein formal schon daran, dass die 220 Millionen Euro zwar vom Haushaltsausschuss des Bundestages abgesegnet waren, es aber eines eigenen Gesetzes bedurft hätte. Die Grünen hatten nun im Vorfeld der Bundestagswahlen einen Ansatz präsentiert, nach dem die konkrete Ausgestaltung und Verteilung solcher vom Bund bereitgestellter Mittel den Ländern im Rahmen ihrer Zuständigkeit für Medien und Kultur überlassen werden soll.

Für Roth stehen Freiheitsrechte an erster Stelle

Eine andere Neuerung ist klarer zu fassen: Das Presseauskunftsrecht soll nun auch auf Bundesbehörden und vergleichbare Institutionen ausgeweitet werden. Journalistenorganisationen wie der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüßten dies als positiven und längst überfälligen Schritt, da so die bizarre Schieflage überwunden werde, nach der Journalistinnen und Journalisten zwar auf Landesebene nach den dort gültigen Pressegesetzen Auskunftsansprüche geltend machen konnten, auf Bundesebene aber nicht.

Für die Menschenrechtsaktivistin Roth stehen in der Kultur- wie in der Medienpolitik die Freiheitsrechte an erster Stelle. Kultur und Medien seien "genau der Freiheitsraum des Denkens, den unsere Demokratie braucht", so Roth im Deutschlandfunk. "Die Freiheit von Kunst, von Wissenschaft, von Kultur, von Medien, ist der Gradmesser und Seismograph für die Demokratie, und deswegen begreife ich das auch als Funktion, diese Demokratie zu beschützen." Konkret will die neue Bundesregierung hier auch europaweit Maßnahmen gegen Einschränkungen der Freiheitsrechte durch missbräuchliche Klagen (Strategic Lawsuits against Public Participation, SLAPP) unterstützen.

Deutlich schwieriger wird das Ziel umzusetzen sein, Hassrede und Desinformation zu bekämpfen und für mehr Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Arbeit zu sorgen. Man müsse überlegen, "wo mögliche Grenzen sind, wenn die Freiheit missbraucht wird für Bedrohungen, Hetze, und für die Demütigung und Ausgrenzung von Menschen", so Roth.

Doch nicht nur die im Koalitionsvertrag aufgeführten Vorhaben prägen die künftige Medienpolitik des Bundes. Manchmal ist es auch ein klares Zeichen, was nicht in einem solchen Regierungspapier steht. Von den ursprünglichen Forderungen der FDP, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk massiv zu verkleinern und in seinem Auftrag zu beschränken, findet sich keine Zeile wieder. Und die aus dem Bundeshaushalt finanzierte Deutsche Welle soll weiter ausgebaut werden. Was der neuen Staatsministerin für Kultur und Medien nur recht sein kann. Sie werde die auswärtige Kulturpolitik zwar nicht verantworten, sagte Roth im Deutschlandfunk: "Aber ich glaube, es ist eine richtig große Chance, dass Innen und Außen sich verbinden mit einer riesengroßen, wunderbaren Brücke".

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