Was die Medienpolitiker im Bundestag in dieser Wahlperiode vorhaben

Von Alexander Riedel (KNA)
MEDIENPOLITIK - Mit der neuen Wahlperiode haben sich in mehreren Bundestagsfraktionen die Zuständigkeiten für Medienpolitik geändert. Andere Sprecher sind geblieben. Der KNA Mediendienst hat in allen Fraktionen nach den wichtigsten Zielen in diesem Bereich gefragt. Dazu gehört für manche auch die Aufklärung der Vorwürfe bei der Deutschen Welle, die am Mittwoch Thema im zuständigen Ausschuss war.

Berlin (KNA) Manchmal werden politische Themen schnell deutlich größer und drängender. So heißt es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP etwa kurz und knapp: "Den erfolgreichen Ausbau der Deutschen Welle und der Deutsche-Welle-Akademie setzen wir fort." Doch noch bevor Olaf Scholz (SPD) am 8. Dezember als neuer Kanzler vereidigt wurde, waren Antisemitismus-Vorwürfe gegen Mitarbeitende und Partnermedien des deutschen Auslandssenders im arabischen Raum laut geworden. In diesem Jahr kam die russische Retourkutsche wegen der Sperrung des Staatssenders RT DE in Deutschland hinzu.

Nun hat sich am Mittwoch der Ausschuss für Kultur und Medien des Bundestags in nicht öffentlicher Sitzung mit der Welle befasst. In der vergangenen Woche hatte eine Expertenkommission ihren Bericht zu den antisemitischen Vorfällen vorgelegt. Darin war zwar von punktuellem Fehlverhalten, aber keinen strukturellen Problemen die Rede. Dennoch präsentierte die Geschäftsleitung einen Zehn-Punkte-Plan, um sich gegen mögliche künftige Vorfälle zu wappne

Die medienpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen, Helge Lindh und Erhard Grundl, formulierten vor diesem Hintergrund in ihren Antworten auf die Anfrage des KNA Mediendienstes zu ihren wichtigsten Zielen in dieser Wahlperiode klare Erwartungen an den Auslandssender: Nötig sei eine gründliche Aufklärung, sagt SPD-Mann Lindh. Dies verlangte auch Grundl, der strukturelle Veränderungen entsprechend dem Prüfbericht forderte. "Als deutsche Stimme in der Welt muss die DW Antisemitismus in jeder Form ausschließen", sagt er. Beide Medienpolitiker meinen zugleich, dass die Welle eine wichtige Rolle gerade auch in autokratischen Ländern spiele. Aus Sicht von Lindh sollte der Sender seine Angebote im Nahen und Mittleren Osten ausbauen.

Die Deutsche Welle ist insofern ein relevantes Thema für die Medienpolitikerinnen und Medienpolitiker im Bundestag, weil sie anders als die anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus dem Bundeshaushalt - und nicht über den Rundfunkbeitrag - finanziert wird. Da Medienpolitik sonst viel in den Ländern oder auf EU-Ebene spielt, betonen Bundespolitiker bei anderen Themen gerne das gemeinsame Agieren. Doch auch darüber hinaus haben die aktuellen Fachpolitikerinnen und -politiker der Bundestagsfraktionen konkrete Ziele.

Opposition für Reform der Öffentlich-Rechtlichen

Aus der Opposition heraus will etwa die medienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Christiane Schenderlein (CDU), die bis zur Bundestagswahl im sächsischen Landtag saß, die laufende Struktur- und Auftragsreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks "aktiv vorantreiben". Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei "eine wichtige Institution für den Kampf gegen Falschinformationen und gezielte Desinformationskampagnen". Daher sei auch dessen verstärkte Präsenz im Netz und auf Sozialen Plattformen zu begrüßen.

Auf europäischer Ebene sichert Schenderlein Unterstützung für den geplanten Media Freedom Act zu, der staatliche Einflussnahme auf Berichterstattung unterbinden soll. Angesichts der Digitalisierung müssten im Urheberrecht Voraussetzungen geschaffen werden, "damit Künstlerinnen und Künstler, aber auch Medienschaffende eine adäquate und auskömmliche Vergütung für ihre Arbeit und für ihr geistiges Eigentum erhalten", sagt die 40 Jahre alte Abgeordnete aus Nordsachsen, die von 2009 bis 2019 Büroleiterin für Parlamentarier in Bund und Land war und seit Mai 2020 im ZDF-Fernsehrat sitzt.

Petra Sitte, seit 2005 Bundestagsabgeordnete der oppositionellen Linksfraktion und davor fast ebenso lange Mitglied des Landtags in Sachsen-Anhalt, stellt die soziale Lage der Medienschaffenden in den Vordergrund: Im Urheberrecht sieht auch sie Handlungsbedarf, insbesondere was ein Verbandsklagerecht angeht. Zum laufenden Reformprozess des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fordert sie eine breite öffentliche Debatte, an deren Ende die Anstalten reformiert und gestärkt werden sollten. Auch müsse über neue Formen der Presseförderung nachgedacht werden, findet die 61 Jahre alte Abgeordnete aus Halle/Saale. Dringend auf die medienpolitische Agenda müsse der Schutz von Medienschaffenden. Die Polizei müsse besser im Umgang mit ihnen geschult werden und auf Demonstrationen Presseschutzzonen einrichten.

Der medienpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Martin Renner, erklärt seinen Fachbereich zu einem der wichtigsten für seine Fraktion, da Zensur und Propaganda "unverkennbar dominant geworden" seien. Die "Plattformisierung" der Kommunikation werde Printmedien und Rundfunk schlucken, warnt der 67 Jahre alte Abgeordnete aus dem Wahlkreis Mettmann I (Nordrhein-Westfalen), der bereits in der vergangenen Wahlperiode dem Ausschuss für Kultur und Medien angehörte. Auch bedrohten unter anderem "Faktenunterdrückung", "Cancelculture" und "Haltungsjournalismus" die Informations- und Meinungsfreiheit, meint er. Die AfD wolle sich daher für eine Enquete-Kommission zum Thema "Zukunft der Medienordnung in Deutschland" einsetzen. Zudem wolle man Anträge zur "Abschaffung des Beitragszwangs" für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und zur Stärkung der Medienkompetenz einbringen. Subventionen für Medien oder mehr Anzeigen und Spots der Bundesregierung lehnt Renner hingegen entschieden ab.

Regierungsfraktionen gehen kaum über Koalitionsvertrag hinaus

Die medienpolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und FDP hingegen halten sich auf Anfrage erwartungsgemäß eng an den Koalitionsvertrag. Neben dem Ausbau der Deutschen Welle gehören dazu medienpolitisch etwa der allgemein formulierte Einsatz für die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten und das Bekenntnis zur Medienpluralität, inklusive öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Auch will man europaweit Maßnahmen gegen Einschränkungen der Freiheitsrechte wie zum Beispiel durch missbräuchliche Klagen (Strategic Lawsuits against Public Participation, SLAPP) unterstützen und die Machbarkeit einer technologieoffenen, barrierefreien und europaweiten Medienplattform prüfen. Zudem will die Koalition sich in Europa dafür einsetzen, "dass Digital Services Act (DSA) und Digital Markets Act (DMA) sowie Media Freedom Act auch Pluralismus und Vielfalt abbilden sowie eine staatsferne Medienaufsicht und Regulierung gewährleisten".

Einen Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden wollen die Koalitionspartner bekanntlich ebenfalls schaffen. Ebenso wollen sie Fördermöglichkeiten für die Zustellung von Zeitungen und anderen periodischen Presseerzeugnissen prüfen, "damit die Leserinnen und Leser in der Stadt und auf dem Land weiterhin jeden Morgen ihre Zeitung im Briefkasten finden", wie es der Wuppertaler Abgeordnete Helge Lindh von der SPD formuliert, der sich wie schon in der vergangenen Wahlperiode auch innenpolitisch engagiert und vor seiner Zeit im Bundestag als wissenschaftlicher Mitarbeiter mehrerer SPD-Abgeordneter im Landtag NRW tätig war.

Er kündigt zudem einen Gesetzentwurf an, um den Berufsgeheimnisschutz für Journalistinnen und Journalisten zu stärken. Wachsam will der 45 Jahre alte Lindh bleiben, wenn es um den geplanten Digital Services Act der EU geht, damit die darin vorgesehenen "Koordinatoren für digitale Dienste" nicht die Rolle der Landesmedienanstalten untergraben. Der Digital Markets Act offeriere dagegen die Möglichkeit, den großen Plattformen irreguläre Geschäftspraktiken zu untersagen und Pflichten für einen besseren Verbraucherschutz aufzuerlegen, sagt er.

Erhard Grundl von den Grünen erklärt indes, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Diversität der Gesellschaft abbilden und verstärkt Angebote für jüngere Nutzer gerade im non-linearen Bereich entwickeln solle. Außerdem habe er gerade für den Kulturbereich eine besondere Bedeutung, als Auftraggeber, Berichterstatter und Förderer. "Meine Erwartung ist, dass sich das auch stärker im Angebot ausdrückt als beim privaten Rundfunk", sagt der 59 Jahre alte Abgeordnete aus dem Wahlkreis Straubing (Bayern), der seit 2017 im Bundestag sitzt und nach eigenen Angaben unter anderem Mitglied im Sozialverband VdK sowie bei Verdi und Amnesty International ist. Zudem stellt Grundl in Aussicht, dass gemeinnütziger Journalismus als gemeinnützig anerkannt und in die Abgabenordnung aufgenommen wird. Dazu seien Absprachen mit den Ländern nötig.

Der medienpolitische Sprecher der FDP, Thomas Hacker, der diese Funktion bereits in der vergangenen Wahlperiode innehatte, spricht sich erwartungsgemäß für Vielfalt und fairen Wettbewerb aus. Es sei kein Geheimnis, dass die FDP für eine Auftrags- und Strukturdiskussion zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk stehe, "die zu einer noch größeren gesellschaftlichen Akzeptanz beitragen kann", sagt der 54 Jahre alte Bankkaufmann und Steuerberater aus Bayreuth. Nötig sei eine breite gesellschaftliche Debatte über den Wert freier Medien für die Demokratie - natürlich gemeinsam mit den Ländern. In ihrem Wahlprogramm hatte die Partei sich für "einen moderneren und schlankeren öffentlich-rechtlichen Rundfunk" ausgesprochen, auch um den Rundfunkbeitrag zu senken.

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