BBC-Rundfunkgebühr zum Jubiläumsjahr eingefroren - Zukunft offen

Von Mathias Ebert (KNA)
MEDIENPOLITIK - Es sollte ein rauschendes Jubiläumsjahr fürs "Tantchen" werden: Aber stattdessen muss die BBC zum 100. Geburtstag mit einer Finanzlücke planen. Medienministerin Nadine Dorries hat die Rundfunkgebühr eingefroren. Ganz auf Linie des derzeit stark in der Kritik stehenden Premierministers Boris Johnson. Kritik hagelt es von der BBC-Spitze und aus der Politik - und nicht nur aus der Opposition. Die Zukunft der Anstalt sieht ungewiss aus.

London (KNA) Am 21. Januar teilte Nadine Dorries, die konservative britische Ministerin für Digitales, Kultur, Sport und Medien (DCSM), den "lieben Tim und Richard" von der BBC-Führung offiziell mit, die BBC-Rundfunkgebühr werde in den nächsten zwei Jahren ab dem 1. April 2022 auf dem jetzigen Stand von 159 Pfund jährlich eingefroren. Für die nächsten vier Jahre, also die Zeit vom 1. April 2024 bis zum 31. März 2028, solle die Gebühr nur entsprechend dem Inflationsindex erhöht werden.

"Tim und Richard" sind Tim Davie, der Generaldirektor, und Richard Sharp, der Vorsitzende der BBC, die beiden führenden Persönlichkeiten des Unternehmens. Davie ist seit September 2020 im Amt und Sharp seit Februar 2021. Beide gelten als der regierenden Konservativen Partei nahe stehend, wenn auch nicht unbedingt Premierminister Boris Johnson, dem aktuellen und nicht unumstrittenen Parteiführer der Konservativen.

Die "British Broadcasting Corporation" als öffentlich-rechtlicher "Britischer Rundfunk" im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland (UK) wurde vor fast 100 Jahren, am 18. Oktober 1922, gegründet und ist als "Auntie" ("Tantchen") eine britische Institution und das Vorbild für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Europa und darüber hinaus. Seitdem gilt mit den Worten Lord Reiths, des ersten BBC-Generaldirektors, "To inform, to educate and to entertain" ("Informieren, bilden und unterhalten") für den Rundfunk in aller Welt. Die BBC kontrolliert heute noch ein Drittel des Fernsehmarktes und die Hälfte des Radiomarktes in Großbritannien.

Seit 1923 finanziert sich die BBC durch eine Rundfunkgebühr. Zunächst waren es 10 Schilling pro Jahr, ab 1946, da kam das Fernsehen hinzu, waren es zwei Pfund. Heute sind es jährlich 159 Pfund (rund 190 Euro), seit April 2021. Die Gebühr, Licence Fee, macht rund drei Viertel des BBC-Budgets aus.

Das Einfrieren der Gebühr sei eine "harte Entscheidung", so die Ministerin. Aber man habe einen Kompromiss schließen müssen - zwischen der Fähigkeit der BBC, ihre Mission und öffentlichen Aufgaben "effektiv" zu erfüllen und dem finanziellen Druck, dem die Nation und die einzelnen Haushalte zurzeit ausgesetzt seien.

Richard Sharp und Tim Davie werteten die Entscheidung der Ministerin über das Einfrieren der Gebühr am 17. Januar als "Enttäuschung für die Rundfunkgebührenzahler und für die Kulturschaffenden, die sich auf die BBC verlassen". Die Rundfunkgebühr finanziere ausgezeichneten Journalismus, so Sharp und Davie. Und die Einnahmen der BBC seien schon jetzt 30 Prozent niedriger als vor zehn Jahren. Aber Sharp und Davie lobten auch die finanzielle Stabilität der Rundfunkgebühr für die nächsten sechs Jahre. Sie forderten außerdem eine nationale Debatte über die nächste BBC-Charta, das Grundgesetz der BBC, für nach 2028. Dafür sollten "alle Möglichkeiten" erörtert werden. Die BBC gehöre der Öffentlichkeit und deren Stimme müsse am deutlichsten bei der Bestimmung der Zukunft der BBC gehört werden.

Highlights im Jubiläumsjahr trotz Finanzlücke

Nach Berechnungen von BBC-Generaldirektor Tim Davie sorgt das Einfrieren der Gebühren für eine Finanzierungslücke von 285 Millionen Pfund (340 Millionen Euro), die sich in "weniger Dienstleistungen und weniger Programmen" zeigen werde. Auch die Highlights zum Jubiläum müssten auf den Prüfstand. Zu den Schwerpunkten der BBC im Jubiläumsjahr 2022 zählen das "Platinum Jubilee", das 70-Jahr-Thronjubiläum der heute 95-jährigen Königin Elizabeth II., das Anfang Juni gefeiert werden soll, die Fußball-Europameisterschaft der Frauen im Juli in England, die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer Ende des Jahres in Katar, die Commonwealth-Spiele im Sommer in Birmingham. Kürzungen in der Berichterstattung zu diesen Events sind nicht ausgeschlossen.

Dazu eingeplant zum 100. Geburtstag sind zahlreiche neue Drama-Programme und Dokumentationen wie "Frozen Planet II" des Naturfilmers Sir David Attenborough und "A Very British History" von David Dimbleby über die 100-jährige Geschichte der BBC. Ein erster Höhepunkt war am 1. Februar die Rückkehr des Jugendkanals BBC Three als linearer Fernsehkanal nach einer sechsjährigen Pause, während der er nur online existierte.

Die Medienministerin veröffentlichte ihre Entscheidung zuerst am 16. Januar in der konservativen Sonntagszeitung "Mail on Sunday" und rief damit Unmut hervor. Außerdem erklärte sie, dies werde die "letzte" Entscheidung über die Rundfunkgebühr sein. Nach 2028 werde es die Rundfunkgebühr nicht mehr geben. Nach Kritik von Kabinettskollegen wie Finanzminister Rishi Sunak ruderte sie zurück und forderte nun eine "baldige Überprüfung des Rundfunkgebühren-Modells" wegen "der Herausforderungen an seine Nachhaltigkeit und Angemessenheit". Dies wolle sie in "naher Zukunft beginnen".

Seit 2010, dem Machtantritt der Konservativen Partei, ist die BBC unter den Premierministern David Cameron (2010-2015), Theresa May (2015-2019) und Boris Johnson (seit Juli 2019) starken Kürzungen ausgesetzt. Die Medienministerin Nadine Dorries ist erst seit September 2021 im Amt, also wenige Monate, und gilt als treue Anhängerin von Premierminister Johnson. Sie ist bereits die dritte Medienministerin in knapp drei Jahren unter Johnson.

Die 64-jährige Dorries stammt aus Liverpool und arbeitete zunächst als Krankenschwester, bevor sie sich mit einem eigenen Unternehmen im Gesundheitsbereich selbstständig machte. 2001 ging sie in die Politik und ist seit 2005 Unterhaus-Abgeordnete der Konservativen Partei für den Wahlkreis Mid Bedfordshire in Ostengland. Aufsehen erregte sie 2012 mit ihrer Teilnahme am britischen Dschungelcamp, wofür sie von ihrer Partei vorübergehend suspendiert wurde.

Unter Premierminister Boris Johnson, der seit Juli 2019 im Amt ist und den Brexit, den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union, am 31. Januar 2020 nach 47 Jahren Mitgliedschaft umsetzte, machte sie eine steile Karriere. Zunächst wurde sie Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, dann 2020 dort Staatsministerin und schließlich Ministerin für Digitales, Kultur, Sport und Medien (DCSM) und Mitglied des Cabinets, der engeren Regierung.

"Rücksichtslosen ideologischen Kreuzzug stoppen"

Aber nicht nur in der Konservativen Partei sind der Standpunkt von Premierminister und Medienministerin zur BBC umstritten. Lucy Powell, die medien- und kulturpolitische Sprecherin der oppositionellen sozialdemokratischen Labour Party, erklärte, Johnson und Dorries wollten um jeden Preis, "diese großartige britische Institution angreifen, weil sie ihren Journalismus nicht mögen". "Der britische Rundfunk und die schöpferischen Industrien sind in der ganzen Welt berühmt und sollten im Zentrum des globalen Britanniens sein", fügte sie hinzu. Jamie Stone von der Liberaldemokratischen Partei sagte, die Einfrierung der Rundfunkgebühr wäre "eine heimliche Kürzung um fast zwei Milliarden Pfund", die die Leistungen der BBC in Gefahr bringen würde. "Die Regierung muss diesen rücksichtslosen ideologischen Kreuzzug stoppen und unsere BBC in Ruhe lassen", meinte er.

Mark Drakeford (Labour Party), der Ministerpräsident der walisischen Regionalregierung, warf der britischen Regierung gegenüber der BBC "kein ernsthaftes Denken" vor. Man müsse dringend "eine Koalition zur Unterstützung der öffentlichen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Vereinigten Königreich bilden", forderte er. Wales ist einer der vier Landesteile des Vereinigten Königreichs und verlangt mehr Autonomie in Medienfragen. Schottland sehnt sich nach völliger Unabhängigkeit und dem Wiederbeitritt zur Europäischen Union, und ein großer Teil der Nordiren möchte sich der Republik Irland anschließen.

Die Konservativen haben als Alternative zur allgemeinen Rundfunkgebühr ein Abonnement-Modell ins Gespräch gebracht, dass nach dem Vorbild von Streaming-Diensten wie Netflix funktionieren soll. Dem erteilte Davie jetzt erneut eine Absage. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss für alle da sein", die Logik eines Subskriptionsmodell sei dagegen völlig anders: "Dort geht es darum, Profit zu machen und nur ganz bestimmte Zielgruppen zu erreichen".

James Purnell, bis 2020 BBC-Radio- und Strategie-Direktor, regte die Ablösung der bisherigen Rundfunkgebühr durch eine Rundfunk-Haushaltabgabe wie in Deutschland am 23. Januar in der "Sunday Times" an. "Das ist eine interessante Alternative. Jeder Haushalt bezahlt die Abgabe", so Purnell. Vor einigen Jahren lehnte die konservativ-liberale Regierung von David Cameron die Einführung der Rundfunkabgabe ab. Heute sei die Situation aber anders.

Außerdem sprach sich Purnell für eine Übernahme der alternativen Channel 4-Fernsehgruppe durch die BBC aus. Die konservative Regierung Johnson will den werbefinanzierten, aber öffentlich-rechtlichen Channel 4 privatisieren und/oder verkaufen. Purnell war von 2007 bis 2009 selbst Minister für Kultur und Medien unter der Labour-Regierung. Labour regierte letztmals in Großbritannien von 1997 bis 2010.

 


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